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Europas Kap Horn: Die Pointe du Raz in der West-Bretagne

Europas Kap Horn: La Pointe du Raz in der West-Bretagne

 

„Qui voit Sein, voit sa fin“, „Wer Sein sieht, der sieht sein Ende...“, so heißt es nicht gerade ermutigend in der Sprache der französischen Fischer hier in den Häfen an der berüchtigten Westspitze der Bretagne etwa 30 Seemeilen südwestlich von Brest.

 In Audierne-St.Evette, ca. 6 sm östlich der Passage zwischen der Ile de Sein und dem lanzenartigen, felsigen Kap der Pointe du Raz liegen wir in einer kleiner Bucht an einer Boje in Lauerstellung, um den optimalen Zeitpunkt der Tide zur Durchquerung dieser von Seglern und Fischern gefürchteten Durchfahrt abzuwarten.

Tide, das ist hier das Zauberwort. Und „Wind gegen Strom“ bedeutet Hexenkessel. Denn bei 8m Differenz zwischen Hoch- und Niedrigwasser muss der Ozean sich notgedrungen mit unbändiger Kraft und mahlstromähnlichen Wirbeln zwischen den der Küste vorgelagerten Felsen und Inselchen hindurchpressen. Zum Leid der Segler und Fischer, die auf dem Weg aus der Biskaya in den Ärmelkanal oder umgekehrt hier zwischen dem Festland und der Insel Sein gern eine Abkürzung nehmen. Die Alternative: 40 Seemeilen Umweg, im Westen außen herum um die „Chaussée de Sein“, wie die 1000 Steine sich westlich der Ile de Sein verharmlosend nennen (s. Karte). Eine „Chaussée“ auf der bis in die 50er - 60er Jahre, als viele Schiffe noch kein Radar hatten und der Funkpeiler als Vorläufer des DECCA Positionsfehler von 5 bis 10 sm normal erscheinen ließ, jedes Jahr manch ein Handelsschiff oder Fischerboot auf die Steine und in die Tiefe gingen...

Alte Seekarten aus den 70er Jahren, auf denen noch die Wracks eingezeichnet wurden, die außerhalb der üblichen Fahrwasser liegen, belegen eine makabre Realität: Hier im Westen Europas liegt ein riesiger Schiffsfriedhof. Wohl nur die Isles of Scilly südwestlich von Land’s End vor Cornwall in Südengland können da noch mit der Wrack-Statistik der Pointe du Raz mithalten.

 

Wenn es denn nur der gewaltige Gezeitenstrom wäre... Zu den navigatorischen Problemen der Tide kommt in den Gewässern vor der Westspitze Frankreichs auch noch eine Nebelwahrscheinlichkeit von sage und schreibe 30% in den Monaten Juli und August und nicht viel weniger in den anderen Monaten des Jahres hinzu. Mit Radar heute kein Problem, wird mancher heutige Segler sagen, aber was machte der Steuermann um die Jahrhundertwende wenn er nach tagelanger Reise durch die Biskaya von Spanien oder gar von Amerika kommend bei bewölktem Himmel ohne genaue Astro-Position sich auf der Breite des Englischen Kanals glaubte und den Zeitpunkt der Kursänderung nach Osten entscheiden musste? Beidrehen, abwarten bis der Nebel sich lichtet? Das kann hier tagelang dauern. Und dass der Nordatlantik immer für eine Überraschung gut ist wenn es um die Entstehung von Tiefdruckgebieten auch im Sommer geht, das lernt man an der französischen und englischen Westküste spätestens im Kindergarten...

 

Unser Törn begann eigentlich schon in Paris am Gare Montparnasse, denn nur wenige Minuten nach dem Start des TGV-Hochgeschwindigkeitszugs in Richtung Vannes (in gut 3 Std. am Atlantik!) war schon der erste Leuchtturm an Steuerbord querab, direkt neben einem großen Fischmarkt. Frankreich ist eben eine Seglernation, und da baut man auch schon mal aus Begeisterung für den Atlantik eine originalgetreue Leuchtturmnachbildung in die Pariser Innenstadt, wenn es darum geht, bretonischen Fisch zu vermarkten.

Verblüffend: Nur gute 3 Stunden später trinken wir mitten im April im T-Shirt unseren Begrüßungs-Pastis in der Plicht der GWENAVEL unter südbretonischer Sonne im alten Stadthafen von Vannes. Das spätmittelalterliche Städtchen am Nordrand des Golfs von Morbihan ist idealer Ausgangspunkt für einen Bretagne-Törn. Die für Nordatlantikfahrt ausgerüstete Hallberg-Rassy 39 mit Skipper und Eigner Wilfried wird uns entlang der südbretonischen Küste durch des Teufels Nadelöhr „La Pointe du Raz“ bis in die Bucht von Brest bringen.

 „Wasser und Brot“ der Navigation werden auf dieser Reise vor allem die Gezeitentafeln und der Stromatlas für Westfrankreich sein, beides ist auch in englischer Sprache an Bord. Und wer die Fachbegriffe auch auf Französisch beherrscht, dem steht der „Almanac du Marin Breton“ zur Verfügung, wo auch zu den kleinsten Häfen noch Detailinformationen zu finden sind. Hingegen was die Ernährung betrifft, so wird „Wasser und Brot“ offensichtlich durch Muscadet, Austern und Langoustines ersetzt, zumindest sieht es in den Stauräumen der Pantry danach aus.

Der Golfe du Morbihan ähnelt mancherorts ein wenig der ostschwedischen Schärenküste, mit dem Unterschied, dass bei 5 Metern Tidenhub zur Springzeit in den Passagen zwischen den Inseln bis zu 8 Knoten Strom setzen. Doch selbst bei 7 Windstärken wie wir sie momentan von Nordwesten in Böen haben, kann sich keine hohe Welle aufbauen, dazu sind die Wasserflächen zu klein. Und so nutzt Wilfried die Zeit, der Crew die englischen und französischen Gezeitenunterlagen zu erklären.

Wildwasserähnliche Fahrt im Golfausgang bei Port Navalo; wir sind zwei Tage nach Vollmond und die Gezeiten verursachen entsprechend starken Strom. Die Ausprägung der Tide wird in Frankreich in Koeffizienten zwischen 0 und 120 ausgedrückt, wobei 120 das Maximum bedeutet (maximale Springzeit), wenn Sonne, Mond und Erde etwa  auf einer geraden Linie liegen. Bei den Engländern ist dies beim Niedrigwasser die „lowest astronomical Tide“, was dem Kartenniveau hier entspricht.

Bei Koeffizient 112 und etwa 5m Tidenhub lutscht uns der Strom förmlich aus dem Golf heraus und so kommen wir mit der Ebbe bis Le Palais, dem Fährhafen der bei Biskaya-Seglern beliebt-bekannten Insel Belle-Ile. Am nächsten Tag hat der Wind auf der Vorderseite eines herannahenden Tiefs zurück auf Südwest gedreht und so können wir ohne zu kreuzen bei halbem Wind Kurs auf die Glénans-Inseln südlich von Concarneau anlegen. Tiefziehende Nimbostratusbewölkung, leichter Nieselregen, 4-5 Bft von SW, See ca. 1,5 m, Bretagne-Wetter wie es den Vorurteilen entspricht.

 

Abends in Le Guilvinec am Steg sind die 4 Dutzend Austern bei Baguette mit salziger Butter und einem kühlen Muscadet schnell von der dreiköpfigen Besatzung vernichtet und man beginnt zu rechnen: 35 Seemeilen bis Audierne, 40 Seemeilen bis ins „Raz“. So nennen Eingeweihte die gefürchtete Meerenge zwischen der Pointe du Raz und der nur 2 Meilen vorgelagerten, von Stürmen flachgehaltenen Ile de Sein. „Raz“ ist keltisch und bedeutet soviel wie „strömungsreiche, gefährliche Passage vor einem Kap“. Dass wir vor dem Land der Kelten segeln, merken wir nicht nur an den Namen einiger Felsen auf der Seekarte wie „Le Menhir“, sondern auch an der Dudelsackmusik die aus dem offenen Fenster einer Fischerkneipe herüberschallt. Es ist auch das Land des 1999 in der Irischen See ertrunkenen französischen Segelhelden Eric Tabarly, dem mit seiner Pen Duik  im Segelsport auf Transatlantikregatten gelang, was der französischen Marine jahrhundertelang verwehrt blieb: Die Engländer auf See zu schlagen.

 

Ein weiterer Segeltag, dann lauert das Raz: Koeffizient 85, West 5, kräftige Regenböen wechseln mit Cumulustürmen und strahlend blauem Himmel. Der Wetterbericht von CROSS Etel, der die gesamte Küste abdeckenden Küstenwache, verheißt nichts Böses, spricht lediglich von „mer agitée“, bewegter See.

Die Ebbe trägt uns bis zur Pointe de Penmarc’h, wo bezeichnenderweise neben dem Leuchtturm die Kirche nach Westen weder Fenster, noch Türen hat ... Gestern Abend in der Kneipe hing ein Foto an der Wand von einer Welle, die die halbe Kirche in Gischt verschwinden ließ. Ein Winterfoto, wie uns der Wirt beruhigend erklärte. Aber mit dem Raz sollen wir nicht spaßen, meint er. „Ruft lieber vorher die Marinestation auf Kanal 9 oben auf dem Kap an und fragt nach dem geeigneten Zeitpunkt, durchs Raz zu gehen“ rät er uns. Bei Wind gegen Strom baut sich schon bei 5 Bft. eine steile, brechende See von bis zu 7 m Höhe auf wenn der Mond voll oder neu ist. Da sollten auch größere Yachten lieber in St. Evette bei Audierne an der Boje in Wartestellung bleiben bis der Strom kentert oder der Wind sich legt. Doch dass der Wind sich legt, kann hier lange dauern. Und wenn der Wind aus nördlichen Richtungen kommt, hat der Segler praktisch keine Chance von Süden nach Norden durchs Raz zu segeln, denn nur mit dem Flutstrom geht es nach Norden und nur mit dem Ebbstrom nach Süden. Gegen den Strom segelnd und dann auch noch kreuzend hat auch die schnellste Yacht hier keine Chance.

Hinter Penmarc’h lässt der Wind nach und so können wir uns für diesen Tag die Raz-Passage abschminken. Der Tidenstrom würde längst gekentert sein wenn wir in etwa 6 Stunden im Raz wären und dann hätten wir Wind gegen Strom. Also beschließen wir, dem Rat des Wirts aus Guilvinec (und des Seehandbuchs!) zu folgen und schlafen eine Nacht an der Boje auf Warteposition in St. Evette, 5 sm östlich des Raz. Wir sind nicht die einzigen: Zwei französische Yachten und ein Engländer haben sich wie wir entschieden.

Nach Gezeitentafeln herrscht früh morgens gegen 6.30 Uhr Stillwasser im Raz bevor die neue Flut einsetzt. Das wäre ideal für die Passage, jedoch eine Stunde vor Sonnenaufgang. Egal, die Seekarte zeigt Sektorenfeuer für La Vieille, La Plate und Tévénnec, den drei Leuchtfeuern, die es den Schiffen auch bei Nacht mit ihren Leitsektoren ermöglichen, sich von den Steinen frei zu halten. Also Wecker auf 6.00 Uhr, 6.30 Boje loswerfen und los geht’s. Geht nicht! An der Boje war wohl noch eine Tripleine, die wir in der Dunkelheit nicht gesehen hatten, und so geschieht nach Murphy’s Law genau das, was wir jetzt wirklich nicht gebrauchen können: Tauwerk im Prop, der Motor wird abgewürgt. Merde!!! Wassertemperatur ca. 14°C, was hilfts! Tauchjacke an, Brotmesser und Tauchlampe her, unser Skipper schneidet die Welle frei.

Eine Viertelstunde später sind wir auf Kurs ins Raz mit einer halben Meile Parallelabstand zur wild zerklüfteten Steilküste der Sizun-Halbinsel, an deren Ende die Pointe du Raz wie eine Lanzenspitze nach Westen zeigt. La Vieille, der Leuchtturm, dessen Name früher bei den bretonischen Leuchttürmwärtern Schaudern erzeugte, weil sie im Winter manchmal erst nach 8 Wochen abgelöst werden konnten, zeigt uns mit seinem weißen Leitsektor den Weg. Der Seegang nimmt langsam zu, wird steiler und unregelmäßiger, denn der Südwestwind steht mit 5 Beaufort quer zum Strom. Fahrt nach Logge 6 Knoten, nach GPS anfangs 7,5 Knoten, dann 8,5 und schließlich 9 Knoten. Wir fühlen uns wie in die Passage hineingesaugt. Mit der im Osten aufgehenden Sonne werden aus den schwarzen Scherenschnittkonturen der Küste zerfurchte, markante Felsen. Vor dem Kap, eine halbe Meile vor uns ist das Wasser weiß von brechender See..., Steckschotten in den Niedergang, Lifebelts werden vorsichtshalber schon mal angelegt. Weiter draußen auf See ist es etwas ruhiger, und so vergrößern wir unseren Abstand zur Küste, Ruder backbord, 30 ° gegenhalten, um den Stromeinfluß zu kompensieren. Dünung läuft quer zur Windsee, wird an der Steilküste zurückgeworfen und läuft gegen den Tidenstrom. In grober, wirr durcheinanderlaufender Kreuzsee verwandelt sich GWENAVEL in einen bockigen Gaul;  Die Leuchttürme La Vieille und La Plate ziehen an Steuerbord wie von Geisterhand bewegt vorbei, das GPS zeigt 11,6 Knoten über Grund, das sind mindestens 5 Knoten Strom! Eine viertel Meile an Steuerbord, mitten zwischen den Steinen in der Trouziard-Passage motort ein einheimischer Fischer gegen den Strom und fischt wohl auf Wolfsbarsch mit der Schleppangel, während sein Boot 30 Grad nach beiden Seiten rollt.

Nach etwa 20 Minuten ist der Ritt vorbei. Ile de Sein, eine Meile an Backbord, schützt uns vor der von Westen heranrollenden Dünung und so können wir sorglos die Peilung zwischen Kirchturm und Bake suchen, die uns die Ansteuerung in den Hafen von Sein ermöglicht. Hafen? Eher eine Bucht mit schützender Mole, ein Anleger für zwei, drei Fischer und die kleine Fähre, die – wenn das Wetter es erlaubt – die Post, ein paar Paletten mit Baumaterial, Bierfässern und im Sommer auch etliche Touristen vom Festland von Audierne herüberbringt. Wir ankern auf 5 m Wassertiefe, nachdem wir mittels 12er –Regel und Tidenkalender ausgerechnet haben, dass jetzt, zwei Stunden nach Niedrigwasser  noch gut 6m auflaufen werden, aber dann wieder bis zum Abend etwa 8m mit der Ebbe ablaufen.

Ohne Beiboot geht hier gar nichts; Schwimmponton? Ein Fremdwort.

Im  „Cormoran Borgne“, dem blinden Kormoran, wie die sympathische Fischerkneipe direkt neben der Seenotrettungsstation sich nennt, gibt’s nicht nur das langersehnte kühle Bier, sondern der Wirt Yvon hat auch die Tipps, wo wir für unser Abendessen die Taschenkrebse bekommen, von denen unser Skipper schon seit Tagen schwärmt. Und es bleibt nicht bei Taschenkrebsen: Drei Hummer und ein Kilo Wellhornschnecken wandern ebenfalls in den Kochtopf. Dazu selbstgebackenes Brot, selbstgemachte Mayonnaise und – schließlich segelt man nicht jeden Tag durchs Raz de Sein – einen gut gekühlten Sancerre (oder waren es zwei?).

 

Der nächste Morgen beweist, dass die Bretagne keineswegs ständig stürmisch und verregnet ist: Strahlend-blauer Himmel, NW 3, Rückseitenwetter, das Tief ist durchgezogen, ideal für einen Inselspaziergang. Die Gassen zwischen den Häusern am Hafen sind gerade mal so breit, dass man „ ein Fass hindurchrollen kann“, so erklärt es uns Yvonnick, der Inselpfarrer, mit dem wir schon gestern Abend im blinden Kormoran ein Bier getrunken hatten. Die Häuser schützen sich gegenseitig vor dem Wind, der hier im Winter immer mal wieder mit mehr als 200 km/h alles wegfetzt, was nicht festgebunden wurde. Yvonnick erzählt uns auch von seinem Urgroßvater, der auch schon Inselpfarrer war, dessen Möbel aus Wrackteilen gebaut waren, und es heißt, er habe damals in mageren Zeiten von der Kanzel der Herrgott darum gebeten, endlich wieder ein Schiff mit wertvoller Ladung auf die Felsen von Sein zu schicken, damit die Armut der Inselbevölkerung gemildert würde. Und wenn der liebe Gott das Schiff nicht schickte, dann half man eben etwas nach, zündete Feuer an, die den ortsunkundigen Navigator in die Irre und ins Verderben locken sollten.

 

Von navigatorischen Problemen haben wir in der letzten Woche reichlich gehört und gesehen und so nutzen wir den leichten Nordwest und die Nachmittagsflut, um die letzten 30 Seemeilen bis Brest hinter uns zu bringen. Zuvor nutzen wir jedoch die Gunst der Stunde, das „französische Kap Horn“ noch einmal bei ruhigem Wetter zu fotografieren. Und als dazu auch noch bei strahlender Sonne eine kleine Schule von Delphinen direkt vor dem Bug erscheint, will niemand an Bord so richtig an den Spruch „Qui voit Sein, voit sa fin“ glauben.

Über das Heck peilen wir ein paar Stunden später noch einmal den Leuchtturm von Sein vor der untergehenden Sonne während im Osten in der Dunkelheit die ersten Lichter von Brest an der Kimm erscheinen.

  

ANREISE:

Paris ist per Flieger, Zug oder Auto schnell erreicht. Hochgeschwindigkeitszug Thalys ab Köln nach Paris in etwa 3 Stunden. Von Paris mit dem TGV ab Bahnhof Gare Montparnasse in gut 3 Stunden nach Quimper oder Brest. Auch mit dem Flieger von Paris nach Quimper oder Brest. Streckenlänge Paris – Quimper ca. 550 Km Autobahn.

 

DAS REVIER:

Die Bretagne ist ein gezeitengeprägtes, anspruchsvolles Segelrevier, das den motivierten Segler begeistern wird: Eine abwechslungsreiche Küste mit zahlreichen Ankerbuchten zwischen felsigen Kaps, viele Häfen (Marinas und Fischerhäfen) mit hervorragender Infrastruktur, eine Vielzahl vorgelagerter Inseln mit Ankermöglichkeiten bei jeder Windrichtung, zuverlässige Winde, hervorragende Wetterberichte, gutes, maritim orientiertes Essen mit hervorragenden Einkaufsmöglichkeiten, gute Fischrestaurants, so gut wie keine Kriminalität

 

KLIMA und WETTER :

Das Vorurteil, die Bretagne sei ein sturmreiches Schlechtwetterrevier ist FALSCH. Nur im Winter von November bis Februar ist es überwiegend stürmisch und verregnet. Von April bis Oktober wechseln Hochdrucklagen (Keil des Azorenhochs) mit Einflüssen nordatlantischer Tiefs, die meist über England hinwegziehen. Insbesondere die Süd-Bretagne ist im Hochsommer nicht selten subtropisch warm. In der West-Bretagne gibt es allerdings gerade im Hochsommer manchmal Nebel. Westliche Winde herrschen vor, doch kommt es in Küstennähe bei Hochdrucklagen oft zu thermischen Winden (Land-/Seewind).

Die mittlere Windstärke liegt im Winterhalbjahr bei 4-5 Bft., doch ziehen dann oft Sturmtiefs über das Revier.

Im Sommer liegt die mittlere Windgeschwindigkeit bei 3-4 Bft, doch können in allen Monaten atlantische Tiefdruckgebiete Starkwind von 6-7-8 Bft. bringen.

Lufttemperaturen im Winter i.a. zwischen 5°C und 15°C, im Sommer zwischen 15°C und 30°C

Wassertemperaturen:

Brest:              Im Winter minimal 10°C, im Sommer maximal 20°C

Belle-Ile:         Im Winter minimal 10°C, im Sommer maximal 22°C

Regen: Wenn es regnet, dann richtig. Allerdings klart es auch umso schneller wieder auf. Nur 7 Regentage im Brest im Juli

 

LITERATUR und SEEKARTEN:

Bretagne, Wilfried Krusekopf, Reise-Know-How-Verlag, ISBN 3-8317-1126-7

Segeln in Gezeitengewässern, Theorie und Praxis der Tidennavigation, Wilfried Krusekopf, Delius-Klasing 2019

Almanac du Marin Breton, ISBN 2.902855-25.7

Handbuch der Nord und Westküste Frankreichs, Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie

Pilote Cotier Bénéteau, Alain Rondeau, Bd. 6 Saint Malo – Brest und Bd. 5a Brest – Quiberon ISBN 2-901096-31-x

Reed’s Nautical Almanac

Seekarten: In der Reihenfolge Engl. Kanalinseln, Nordbretagne, Westbretagne, Südbretagne

D 1036, 1037, 1038, 279, 280, 281, 282, 879, Raz de Sein speziell D 282 oder F 7423 

 

 

Auf Alu-Yacht MOJITO durch die südlichen Kanaren

Zu Gast bei Anne und Xavier

 

Wer bei Sail-Bretagne-Atlantic nach Törnmöglichkeiten sucht, wird schnell fündig. Törns in allen Varianten: mit und ohne Meilenjagd, mit und ohne Trockenfallen aber auch mit und ohne Segeln. Letzteres, zumal in der kanarischen Herbstsonne, hat es mir besonders angetan.

Bei Xavier und Anne, beide aus der Bretagne und Eigner der 43-Fuß Alu-Yacht MOJITO, hat man die gleichen Ideen. Schauen und Segeln. Seit zwei Jahren sind die beiden auf Welt-Erkundungstour. Von der Bretagne aus geht es zunächst auf die Azoren, dann nach Madeira und zuletzt in’s kanarische Archipel. Zeitraum und Strecke zeigen, dass die intensive Erkundung und das Erleben der Inseln Vorrang hat vor der eigentlichen Fahrt dorthin.

Das ist Lebenskunst oder l‘art de vivre, wenn wir schon beim Französischen sind. Und das ist die Grundlage, auf die es sich einzustellen gilt, möchte man an Lebensform und Lebensrhythmus von Anne und Xavier teilhaben. Beide sprechen gut Englisch, wie es auf einer Weltreise unerlässlich ist, aber französische Lebensart auf Französisch zu teilen, ist besonders reizvoll.

Wir treffen uns in der Marina Amarilla auf Teneriffa, praktisch, weil ganz nah beim Flughafen Süd. Meine Kabine ist rasch bezogen und dann bereden wir die anstehende gemeinsame Fahrt. Schwerpunkt liegt auf der Erkundung der südlichen kanarischen Inseln. Segeln je nach Windverhältnissen. Xavier ist ein großer Fachmann, was Navigation und Segeln unter schwierigen Bedingungen und was die technische Instandhaltung des Bootes angeht. Alles wird selbst gemacht und Sicherheit geht vor. Anne ist die Seele des Ganzen und wirkt schon auch mal auf das bretonische Temperament von Xavier ein.

In südlicher Richtung weisen alle kanarischen Inseln beträchtliche Flautefelder aus. Die Gebirge führen zur Windabdeckung bis hin zur Windstille. Dies ist der häufigen Nord-Ostwindlage geschuldet. Zwischen den Inseln allerdings kommt es auf Grund des „Düseneffekts“ zu Beschleunigungszonen, in der 25 und mehr Knoten eher üblich als selten sind.

Für uns geht’s bei Flaute unter Motor zunächst entlang der Südküste von Teneriffa, vorbei an den Touristenburgen von Los Christianos und Los Gigantes, bis zur Playa de Masca, wo wir für die Nacht guten Ankergrund finden. Am nächsten Tag geht’s dann auf Halbwindkurs bei 30 Kn Wind aus Nordost, rüber zur Nachbarinsel La Palma.

La Palma ist schön. Vergleichsweise grün und ruhig, was den Tourismus angeht, auch in der Hauptstadt Santa Cruz. Per Mietwagen erkunden wir die Mitte und den südlichen Teil der Insel. Uns hat es natürlich der vor einem Jahr ausgebrochene und jetzt aber erloschene Vulkan Cumbre Vieja angetan. Wir versuchen zunächst zu Fuß in seine Nähe zu gelangen. Mit dem Auto ist es dann aber viel angenehmer. Richtig bis hin kommt man nicht. Wir queren breite, zum Teil noch heiße Lavafelder, sehen die zerstörten Häuser und Plantagen und sind dann eigentlich ganz froh, dass wir uns anderwärts an Bildern heiler Welt erfreuen können. Naturgewalten sind eben oft zerstörerisch. Segler wissen davon. Wir sprechen über den Orkan, der vor einigen Wochen über Korsika hinweggezogen ist und dort in den Marinas eine Spur der Verwüstung hinterlassen hat. Es gibt den Bericht eines Seglers, der den Orkan auf See abgewettert hat. Das Anemometer zeigte über 100 Kn Windgeschwindigkeit, das Schiff lag über Topp und Takel flach auf dem Wasser und der Skipper hat nur mit Mühe und in Todesangst überlebt. Solche Geschichten fördern den Respekt vor der Natur, auch bei uns.

Wir fahren durch ältere Lavafelder bis an die Südspitze von La Palma und sehen, dass sich die Natur das Land zurückholt, zunächst durch Primärvegetation, dann aber durch immer kräftigere Pflanzen. Blutroter Wein mit kräftigem Vulkan-Terroir wächst im Lavasand und wird für unser Abendessen gekauft. Ich schlage vor, die unvermeidlichen Spaghetti mit Tomatensauce anzurichten. Dafür bin ich jetzt der Küchenchef und für das kulinarische Wohl und Wehe der Besatzung verantwortlich. Für meine Tomatensauce erhalte ich den Ehrentitel „Paul“, abgeleitet von dem stets verehrten Koch Paul Bocuse. Die Sauce, abgeschmeckt mit dem Vulkanwein aus La Palma, ist auch für französische Gaumen köstlich. Ich erhalte Komplimente und bin stolz wie ein Spanier.

Wir verbringen noch einen Tag auf La Palma und jeder hat „wach frei“. Das tut der Gemeinschaft gut. Ich schaue mir das Schifffahrtsmuseum von Santa Cruz an. Ich wusste nicht, dass die PAMIR während des Ersten Weltkriegs dort für einige Jahre interniert war und ich wusste auch nicht, dass ein deutsches U-Boot in der Nähe von La Palma einen amerikanischen Flugzeugträger versenkt hatte. Das alles und noch viel mehr kann man im Schifffahrtsmuseum sehen und lernen.

Nicht sehr angenehm ist der aus südöstlicher Richtung einfallende Wüstenwind Calima. Er bringt feinsten -Sahara-Sand mit sich, der sich auf Schiffe und Autos und eben auf alles legt. Auf La Palma ist es unsichtig, wie im feinen Nebel und schwül.

Am nächsten Tag Überfahrt nach La Gomera. Das Meer ist tiefblau, „königsblau“, wie die Tinte, die ich früher zum Schreiben benutzte. Wir fahren auf Halbwindkurs bei 25 - 30 Knoten Windstärke und 6 - 7 Knoten Geschwindigkeit. Der Calima läßt nach. Wir können vom Boot aus gleichzeitig La Palma, den Tide auf Teneriffa und La Gomera sehen.

Wir ankern in der Bucht nahe dem Hafen von Valle Grand Rey. Wie im Lehrbuch: wir suchen eine helle Stelle, die auf Sandboden schließen lässt, loten und kreisen drumherum, stoppen auf und lassen im richtigen Moment den Anker fallen. Xavier meint, das Nachbarboot ankere bereits auf felsigen Grund. Das wäre nicht konform mit den Empfehlungen von Overschmidt, Bark und Dreyer. Auf dem Nachbarboot fangen sie alle 2 Minute eine fette Sardine. Wir gehen leer aus, vermutlich weil wir lehrbuchmäßig über Sand ankern und nicht über felsigem Grund. Beim Nachbarn hat man zwischenzeitlich genügend Sardinen gefangen und möchte Ankerauf gehen. Funktioniert aber nicht. Die mit den Sardinen sind ratlos. Xavier taucht runter und sieht, dass sich der Anker in den Felsen verklüftet hat. Xavier erklärt die Situation, taucht wieder runter, befestigt eine Leine am Ankerkeuz, lässt ziehen und dann löst sich der Anker aus den Felsen. Die Plastiktüte mit den 20 Sardinen wird zum Dank herübergereicht auf unser Boot. Die Nachbarn können jetzt ablegen. Wir grüßen jovial von Boot zu Boot und mit den Sardinen in der Hand.

Die Bucht Valle Grand Rey ist sehr fischreich. Xavier erlegt mit der Harpune 3 Fische, die, wie die gestrigen Sardinen, in den Kochtopf wandern, zusammen mit Zwiebeln, Knoblauch, Tomatenringen und den unvermeidlichen Büscheln von Rosmarin und Thymian. Anne und Xavier wissen aus einem Vorbesuch, dass die Bucht „Grand Rey“ berühmt ist für die zahlreichen und erstaunlich großen Rochen, die sich im Sand des Hafenbeckens tummeln und denen man beim Schwimmen zusehen kann. Es gibt Leute, die möchten gerne mit Delphinen schwimmen. Unsere Rochen sind sicherlich auch friedlich, aber sie gucken einem aus dem Sand heraus mit großen Augen kritisch an und dann möchte ich doch lieber nicht mit solchen Kreaturen schwimmen. Schließlich gibt darunter auch Stachelrochen, von denen man besser Respekt hat. Jedenfalls halte ich mich besser frei von zu viel Tierfreundschaft.

Die Bucht von Grand Rey hat eine unangenehme Eigenschaft: sie liegt zwar im Windschatten einer riesigen Felswand, hält jedoch zahlreiche unsichtbare Kreuzseen bereit. Die Boote liegen kreuz und quer vor Anker, jedes schwojet anders. Die Nacht ist deshalb auch unruhig. Die Ortschaft Valle Grand Rey ist ruhig und angenehm. Sie hat ihren Namen nicht von den großen Rochen, wie man annehmen könnte, sondern der Name bedeutet sowas wie „Tal des großen Königs“. Jedenfalls reime ich mir das als Nicht-Spanier so zusammen. Etymologische Erkundungen diesbezüglich, erspare ich mir vorerst.

El Hierro, die südlichste der kanarischen Inseln, ist unser nächstes Ziel. Aber erstmal weg im Windschatten von La Gomera und wegen der Windstille unter Motor. In ca. 3 Meilen Entfernung sieht man Schaumkronen. Dort ist Wind, also nichts wie dorthin. Wir stellen uns darauf ein, raumschots zu segeln. Das Großsegel fassen wir gar nicht erst an und die Genua öffnen wir nur zu 40 %. Der Wind fährt hinein mit über 30 Kn und unsere MOJITO mit ihren 14 Tonnen läuft 7 bis 8 Kn. Schönes Segeln, aber wir sind misstrauisch, ob uns nicht doch noch stärkere Böen erwischen. Im Küstenbereich der Inseln weiß man eben nie genau. Der Wind kann dort durch die Küstenform auf 40 und mehr Knoten beschleunigen und wer darauf nicht gefasst ist, kommt schnell in Schwierigkeiten. Wir passen gut auf, weil wir durch vorausfahrende Segler gewarnt sind. Die Südspitze von El Hierro, der Hafen von La Restinga, ist unser Ziel. Wir müssen an der Hafenmole festmachen, voll im Schwell und im Tiedenhub. Für mich ist es die letzte und unruhigste Nacht an Bord. MOJITO soll in Kürze an Land gesetzt werden und einen neuen Antifouling-Anstrich bekommen. Ich bin insoweit gar nicht so unglücklich, dass ich abheuern kann. Der Abschied von Anne und Xavier fällt mir schwer und ich bemerke, dass dies auch auf Gegenseitigkeit beruht. Wir haben uns blendend verstanden. Die beiden und MOJITO werden in ein- zwei Wochen weiterfahren. Nach den Kap Verden und danach Richtung Osten, in den Senegal und nach Gambia und danach über den großen Teich nach Brasilien. Überall alles anschauen und dann unter Segeln weiter. C’est l’art de vivre sous voile. Danke an Anne und Xavier und an MOJITO für die wunderbaren gemeinsamen Tage und für die sicheren Überfahrten.

 

F. P.


Habt Ihr Lust, selbst einmal zur Pointe du Raz zu segeln?

Mit Start in Saint-Malo oder la Trinité-sur-Mer oder Le Crouesty (s.o. "Unsere Yachten und Skipper") segeln wir in etwa einer Woche zu diesem sagenumwobenen Kap und zurück und laufen dabei alle Inseln der Süd-Bretagne an. 

 

Anfragen an : sail@biskaya.de 

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